Addendum

Bemerkungen, Ergänzungen, Klärungen
Das mit der Kunst ist eigentlich ganz einfach:
Vom Leben erzählen.

April 2024
Was bedeutet „Werk“ und „Professionell“ im Zusammenhang mit nichtkommerzieller Kunst?
Professionell arbeitende Künstler sind per Definition Menschen, die mit Kunst ihr Geld verdienen. Mehr ist das erstmal nicht.
Viele Leute glauben, dass Kunst machen vor allem etwas damit zu tun hat, dass Künstler die damit ihr Geld verdienen, auch entsprechende hochwertige(re) Kunst produzieren, als Menschen, die das aus reiner Neigung tun.
Dilettanten, dem eigentlichen Wortsinn nach Menschen, die es nicht nötig hatten, mit anspruchsvoller Erwerbsarbeit ihr Geld zu verdienen, nannten sich so. Nicht wenige Forscher und Entdecker des 19ten Jahrhunderts waren „Dilettanten“, die sich auch so nannten. Das war ein Ausweis von hohem Vermögen, vor allem auch in fachlicher Hinsicht. Einer nicht gerade kleinen Gruppe von diesen Menschen verdankt die Menschheit heute noch viele wissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch künstlerische Werke, deren Urheber heute nicht mehr bekannt sind, aber noch immer bewundert werden. Darunter auch einige Frauen, aber das ist noch ein anderes Kapitel. Ein weites Feld für Entdeckungen, wenn man sich dafür interessiert und sich nicht von der negativen Konnotation der Bezeichnung „Dilettant“ abschrecken lässt.
Ambition und professionelle Befähigung haben nur eine relative Verwandtschaft. Professionelle Befähigung bedeutet vor allem eine hohe handwerkliche Wirkfähigkeit, aber vor allem auch die Fähigkeit, die damit verbundene Ware, also in dem Fall Kunst, einem daran interessierten Publikum nahe zu bringen und zum Kauf zu überreden.
Dafür sind Legenden hilfreich. Allein dass heute ein Maler der frühen Moderne, Vincent van Gogh, eine geradezu rührende Legende unfreiwillig produziert hat, plakatiert das überdeutlich. Was gerne übersehen wird, ist die Tatsache, dass er aus einer Kunsthändlerfamilie stammte und selbst Kunsthändler war, wenn auch nicht gerade von Erfolg gekrönt. Das eigentliche Leiden war seine Persönlichkeitsstruktur. Wäre er, wie damals einige seiner Zeitgenossen, auf die Verkäufe seiner Werke nicht angewiesen gewesen, wer weiß, was aus diesen Werken geworden wäre.
Ein anderes Beispiel war einer der Großmeister der Auftragskunst, Rembrandt van Rijn. Er war so erfolgreich wie kaum ein anderer seiner Zunft. Ein echter Star und massiv nachgefragt. Aber das war zeitbedingt. Schon zu seiner Lebzeit galt er als nicht mehr zeitgemäß. Viele seiner Werke verschwanden einfach und landeten irgendwo außerhalb der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Aber vor allem seine Werke, die er nur für sich selbst anfertigte, Selbstbildnisse, Studien, Skizzen und zeichnerischer Krimskrams, wecken heute das Interesse an dem Menschen Rembrandt — und das berührt bis heute. Und das zählt wirklich.
Avanti Dilettanti!

Kunst versus Kreativ
Kunst übersetzt man geläufig als „Kreativ“. Tatsächlich ist bei nicht wenigen Künstlern durchaus bekannt, dass die eher wie die Buchhalter arbeiten. Das ist für weniger mit Kunst bewanderte Betrachter überraschend.
In vielen Kunstrichtungen regiert eher die permanente Wiederholung von einmal gewonnen kreativen Entwürfen oder Vorlagen, die letztendlich den Output eines Künstlers ausmachen. In der Musik kennt man oft die (kreativen) Urheber eines Musikstückes überhaupt nicht. Viele Musiker reproduzieren mit ihren Auftritten aber vor allem bekannte Vorlagen, mehr oder minder kreativ, eher reproduktiv. Die Performance ist die Kunst.
In der darstellenden Kunst gibt es viele Künstler, die ausgehend von einer als erfolgreich im Markt platzierten Vorlage in ihrem Künstlerleben dann endlose Varianten eines Grundmotives produzieren. Zuverlässig und für das geneigte Publikum innerhalb des Erwartungshorizonts. Viele geneigte Betrachter wollen dann auch nichts anderes mehr sehen, als die immer wieder revoltierte Vorlage des einen Grundmotives. Von der Kreation eines Stiles bis zur penetranten Manieriertheit ist es nur ein kleiner Schritt.
Ein vielen bekannter „Künstler“ ist der Vater von Kurt Wallander, dem Ermittler in Henning Mankells Kriminalromanen, der alternativ immer das gleiche Landschaftsmotiv mit und ohne Auerhahn malte und das sein Leben lang.
In vielen Kunstperioden ist bekannt, dass Maler, oder gleich ganze Malateliers, bzw. Meisterwerkstätten vor allem reproduzierbare Ware angefertigt haben. Mehr oder minder vom Meister vorgelegte Entwürfe, die dann von diversen Helfern und Motivspezialisten zu einem Gesamtmotiv auf Leinwand oder als Großmotiv auf Wände und Decken übertragen wurden. In der Regel Auftragsarbeiten, meist von Kirchenfürsten oder weltlichen Auftraggebern bestellt. Mit klar umrissenen Themenfeldern und -absichten. Also mehr oder minder für Propagandazwecke oder kirchliche Themen und für ein meist nicht des Lesens fähiges Publikum, oder schlicht der Selbstdarstellung des/der Auftraggeber.
Die uns bekannten freien, also nicht zweckgebundenen Arbeiten, oft Selbstdarstellungen der Künstler oder Studien, dienten der Selbstertüchtigung. Aber, hier zeigt sich dann die wahre Kreativität und die Fähigkeit, wenn die Künstler über die Grenzen des Zeitgeistes heraus traten und bis heute beeindrucken.
Neuer Abstrakter Expressionismus
Digitaler Abstrakter Expressionismus knüpft direkt und unmittelbar an den in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts ausgerufenen Werkmodus einer Reihe von Künstlern dieser Zeit an. Der Digitale Abstrakte Expressionismus greift das jetzt mit den Mitteln digitaler Medien wieder auf, wobei das final sichtbare Ergebnis sowohl analog auf Papier / Leinwand / Folien und Kunststoff als auch digital auf Digitalen Signagen / Beamern usw. ausgegeben werden kann. Die Präsentationsmöglichkeiten erweitern sich erheblich.
Ich habe den Begriff „Digitaler Abstrakter Expressionismus“ bisher noch nirgendwo konkret gefunden. Deshalb habe ich den jetzt an dieser Stelle frech aufgesetzt, damit das Ganze eine griffige Bezeichnung hat.
Grundlage ist nach wie vor die nicht gegenständliche Komposition von Farben und Formen auf der Malfläche. Spritzen, Kratzen, Schlieren, Tupfen, ineinander verlaufende Farbemulsion bis hin zu aufbauenden Reliefs, das sind die Stilmittel und Ausdrucksformen des Abstrakten Expressionismus. Die Bearbeitung orientiert sich am Malprozess des kontrollierten Zufalls.
Aber jetzt eben mit ausschließlich computergenerierten Bildern. Angefangen hat das mit Malprogrammen, die es bereits in den 80ern gegeben hat. Das waren schon ziemlich weit ausgebaute Programme, die allerdings mit den damals verfügbaren Rechnern nur schlecht zurecht kamen. Diese Programme zielten vor allem darauf ab, Malen in analoger Form wie auf Leinwand und Papier zu simulieren.
Digitale Pinsel und Zeichenwerkzeuge sollten reale Utensilien ersetzen. Das Malergebnis soll(te) aussehen wie eine Bleistift- oder Kreidezeichnung, oder wie ein pastoses Gemälde, genauso ein Aquarell. Das kann ganz gut funktionieren, die Frage ist allerdings, ob das wirklich zielführend ist und der Eigenständigkeit dieser Form von Kunst gerecht wird. In letzter Zeit gibt es einige Künstler in Fernost, die moderne Werkzeuge auf Computern mit zeitgemäßen Bildinhalten einsetzen. Mangas und ähnliches versuchen nicht alte Bilder nachzuahmen. Die schwelgen lieber in einem Arsenal von modernen Pinseln mit einer endlosen Orgie von Farbverläufen und -effekten. Ein ganz eigenes Metier. Je nach Auffassung geht das bildnerische Werk bis hin zu codegenerierten Bildinhalten, die sich dann auch so zeigen.
Schön langsam formiert sich die digitale Szene und gewinnt vor allem an Qualität. Der Abstrakte Expressionismus lebt von der Spontaneität im Malprozess, so auch der Digitale. Also sozusagen eine primäre Unverträglichkeit zu den eher auf Vorplanung orientierten digitalen Werkzeugen, jedenfalls auf den ersten Blick. Heute sind Rechenkapazität und digital-humane Schnittstellen nicht mehr so ganz das Problem, mit deutlich besseren Maltablets oder gleich Tabletcomputern. Für spontane, möglichst intuitive Bearbeitung der Malfläche sind die meisten Programme nach wie vor nicht ausgelegt. Die Mehrzahl der Programme kommen von der Bildbearbeitung und sind eher nicht für Kreativprozesse ausgelegt, sondern für genau und gezielt geplante Bildmanipulationen. Meist empfiehlt es sich, gleich mit mehreren Programmen zu arbeiten, weil ein Programm allein nicht immer alle Möglichkeiten in gleicher Weise abdeckt. Ein komplett anderer Malprozess.
Im Gegensatz zur geplanten und im Ergebnis vorhersehbaren Malerei der vergangenen Jahrhunderte generiert der Abstrakte Expressionismus ein vollständig kreatives Ergebnis durch das Zulassen des Zufälligen: der erste Strich, der erste Punkt, was auch immer, setzt die Bedingungen für alles Weitere. Das Ergebnis ist dann nur noch reproduzierbar per Kamera oder Scanner, aber garantiert nicht mehr nachmachbar. Das gilt dann auch vollständig für die digitale Variante, nur dass es zwischen Reproduktion und Qualität die unterschiedlichen Ausgabematerialien gibt.
Die digitale Vorlage ist das Original, das beliebig viele Ausgaben auf allen möglichen Trägern produzieren kann. Und kann damit viele Freunde der schönen Künste glücklich machen und nicht nur einige Wenige, die das Privileg genießen, sich ein Original leisten zu können.